... aus Seglertraum

Kapitel 8

 

Nach Kreuz- und Tauchfahrten im Andamanischen Meer, dem Tsunami nur knapp entwischt, mutiert unser Kapitän zum Erpresser

 

 

N

ach dem ausgiebigen Frühstück im Decksalon heißt es Anker auf, mit Kurs auf Burma! Unser Tagesziel, an diesem 17.11.04, ist die etwa 45 Seemeilen nördlich vor Thailands Küste gelegene Inselgruppe der „Simi-lans“, die als geschützter Meerespark bei Tauchern besonders beliebt ist. Die wieder von Land wehende beständige Brise bringt uns unter Segeln (!) zügig voran. Bereits am Nachmittag erreichen wir die Insel „Koh Mirang“, wo wir an einer Mooringtonne festmachen können, die von einem nach Phuket zurückfahrenden Tauchboot frei wird. Die Insel hat lang gestreckte, einsame Sandstrände und eine auffällige, ins Meer ragende Felsformation, auf deren Spitze ein keilförmiger Steinriese so gewagt auf seiner Spitze thront, als wollte er jeden Moment ins Meer kippen.

 

Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Dingi um diese Felsnase zu unserem Tauchplatz. Die Dingiwache für den ersten Tauchgang übernehme ich, nachmittags springt dann Graeme ein. Es wir ein schöner, ruhiger Tauchtag. Die Strömung ist schwach, das Wasser kristallklar und das Unterwasserleben tropisch prächtig und vielfältig. Die Korallenbänke sind in gutem Zustand und gesund. Für mich ist das bis jetzt das schönste Tauchrevier gewesen und kann mit dem australischen Great Barier Reef gut mithalten.

 

Noch vor Sonnenuntergang verholen wir zur benachbarten „Surin Island“ und ankern in einem gut geschützten, einsamen Buchtversteck. Außer uns liegen in Rufweite nur noch einige Fischerboote, wie üblich im Päckchen. Bevor es dunkel wird wollen wir noch eine Siedlung der Seezigeuner in einer der umliegenden Buchten besuchen. Wir verstauen unsere Gastgeschenke, Speiseöl, Reis, Softdrinks im Dingi und brausen zu sechst los. Die ONRA liegt abgeschlossen und sicher vor Anker.

 

Bald können wir die Pfahlbauten am Strand ausmachen. Es hat so kräftig aufgebrist, dass ein kräftiger Schwell in die Bucht steht, der unsere Anlandung zur einem Geschicklichkeitsmanöver werden lässt, nach dem wir alle ziemlich nass sind. Mit vereinten Kräften gelingt es uns, das 250 kg schwere Dingi hoch genug auf den Stand zu bugsieren.

 

Im Gegensatz zu den „Monk“ in Burma sind diese Seezigeuner als Fischer sesshaft und leben in primitiven Pfahlhütten, die am Strand aufgereiht sind.

... den Vortag seiner Abreise nutzen Arno und ich dazu, das Pflichtenheft für die Crew bis zu unserer Rückkehr Anfang Januar zu erstellen. Während ich im unteren Salon noch mit dem Erstellen von Formular- und Vertragskopien beschäftigt bin, merke ich, wie Arnos Versuch, das Pflichtenheft mit Michael abzustimmen, vom Skipper dazu missbraucht wird, um eine lautstarke Auseinandersetzung darüber zu provozieren, wie unmöglich die Verhältnisse und Arbeitslasten auf der ONRA seien. In rüdem, ausfälligem Ton wiederholt Michael seine Klagen über das für seine Crew unzumutbare Verhalten von Günter Endress, der als Springer streckenweise die Crew verstärkt hat, und den Alkoholkonsum von Arno und seinen Gästen.

Der Kerl besitzt doch tatsächlich die Frechheit, seinem Eigner eine regelrechte Standpauke zu halten! Als es auch Arno die Sprache verschlägt, zumal er auf Englisch nicht mehr entsprechend dagegenhalten kann, hält es mich nicht mehr länger. Innerlich kochend, aber äußerlich scheinbar ganz ruhig und bestimmt verwahre ich mich gegen Michaels inakzeptable Tonart und Vortragsweise und weise ihn darauf hin, dass er so mit keinem Eigner der Welt umgehen könne. Die ausgesprochen großzügige und freundschaftliche Behandlung von Arno sei ihm wohl schlecht bekommen und völlig falsch verstanden worden.

 

Sichtlich irritiert zieht sich Michael daraufhin in die Crewmesse zurück und schließt deren Tür. Nun folgt eine Standpauke von Pauline, die er über sich ergehen lassen muss. Damit hat er gegenüber allen sein Gesicht verloren, was für sein weiteres Verhalten und die sich für Arno daraus ergebenden Konsequenzen nichts Gutes ahnen lässt.

 

Arno und ich werden uns schnell darüber einig, dass das Maß damit voll und ein Skipperwechsel überfällig ist. Unmittelbar nach seiner Heimkehr wird er sich mit den Rekrutierungsagenturen und dem von ihm schon früher favorisierten Bewerber „David“ in Verbindung setzen. Um Kurzschlussreaktionen seitens Michaels nicht noch zu befördern, vereinbaren wir, dass der seine Kündigung von mir erst nach meiner Rückkehr Anfang Januar erhält. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass Kapitäne aus Ärger beginnen, sich mit dem Verhökern von Yachtzubehör am Eigner zu rächen. Gerechterweise muss hier allerdings auch erwähnt werden, dass es leider auch schäbige Eigner gibt, oder einfach solche, die selbst ständig so knapp bei Kasse sind, dass sie mit ihren Gehaltszahlungen in Rückstand geraten.

 

Damit hat sich leider auch die düstere Prophezeiung erfüllt, die wir schon von anderen leidgeprüften Yachteignern zu hören bekamen: Auch Ihr werdet erst mit dem dritten Skipper zurechtkommen. Sehr schade und ärgerlich, dass auch Arno und mir diese bittere Erfahrung nicht erspart geblieben ist. Heute wissen wir, dass wir in unserer speziellen Situation keinen Skipper hätten engagieren dürfen, der sich in seiner ersten Anstellung als Kapitänsautorität gegenüber einem nicht Praxis erfahrenen Eigner beweisen muss und will, wie Patrick. Oder aber wie Michael, der ausschließlich gewohnt war, mit einer professionellen Crew zu arbeiten und nicht wie bei uns, mit einer Mischung aus bezahlten Profis und uns ehrenamtlichen Hobbyseglern klar kommen musste. Die beiden ersten Kapitäne haben mit ihrer Verhaltensweise und Einstellung maßgeblich dazu beigetragen, Arno die Freude an seiner neuen ONRA und dem Leben an Bord zu vermiesen.

 

 

 

... aus Gutskinder von Strahwalde

Kapitel 5

 

Kriegswirren und Einquartierung

 

 

G

roßmutter Mimi machte sich zunehmend große Sorgen wegen meiner nächtlichen Bettnässerei. Mein Gitterbett stand zu der Zeit deswegen im großelterlichen Schlafzimmer, wo es für Mimi bequemer war, mich noch einmal zu kontrollieren, bevor sie selbst zu Bett ging. Es war zum Verzweifeln, wenn ich nachts im Halbschlaf merkte, wie ich dem Druck der Blase nicht mehr widerstehen konnte und danach so lange auf der extra mehrfach gefalteten, feucht gewordenen Unterlage verbrachte, bis Mimi das Malheur entdeckte und die streng riechenden Laken samt Unterlage gewechselt hatte. Am Morgen darauf musste ich zur Strafe häufig in der Ecke stehen! Abends bekam ich deswegen schon lange nichts mehr zu trinken und musste meine Brote mühsam trocken herunterquälen, weshalb sich die Abendbrotzeit lange hinzog.

 

Eines Tages nahm sie mich erneut ernsthaft ins Gebet und erklärte mir, dass Bettnässer weder in die Schule noch in die Hitlerjugend aufgenommen würden, worauf ich mich doch schon jetzt so sehr freue. Auch könnte ich das für mich bereits vorbereitete, nur durch eine Tapetentür von ihrem Schlafzimmer getrennte eigene Zimmer erst dann beziehen, wenn ich nachts nicht mehr ins Bett machte, sondern selbständig auf den Topf ging, der auch jetzt schon stets neben dem Bett stand. Um den aufgebauten Druck noch zu erhöhen hatte Mimi schließlich unseren Hausarzt zu Besuch aufs Gut gebeten, der mir mit todernster Mine eröffnete, dass solchen Jungen der „Struller“ abgeschnitten werden müsste, was mich fast in Panik versetzte.

 

Diese rigorose Therapieform hat dann ganz plötzlich zu der gewünschten Wirkung geführt. An dem Morgen, an dem ich aufwachte und erstaunt feststellte, dass mein Bett trocken geblieben war, konnte ich mein Glück erst gar nicht recht fassen. Voller Stolz stieg ich aus dem Bett, rief nach Mimi und präsentierte ihr das saubere Bett. Offenbar hatte sich im meinem Unterbewusstsein eine wichtige Veränderung vollzogen. Nach einigen weiteren erfolgreichen Übungsnächten durfte ich probeweise in mein eigenes Zimmer einziehen und erstmals auf dem richtigen Erwachsenenbett schlafen. Der Fortfall des lästigen Ein- und Aussteigens aus dem hohen Gitterbett und mein Respekt vor der von Tischler Schönfelder eigenhändig für mich gezimmerten Bettstelle, mit ihrer neuen unbefleckten Federkernmatratze bewirkten, dass ich von heute auf morgen trocken blieb und nachts nur ganz selten den Topf am Bett benutzen musste.

 

Zur Belohnung schenkte mir Mimi ein gusseisernes, schwarz lackiertes Halbprofil des Hitlerkopfes, der von nun an über meinem Bett wachte und den ich nach jedem Abendgebet küssen durfte, in das ich nach allen Familienmitgliedern zum Schluss auch noch „unseren geliebten Führer“ einzuschließen hatte. Nun stand auch meiner Aufnahme in die Schule, im kommenden Jahr und später in die Hitlerjugend nichts mehr im Wege!

Zu Beginn des Herbstes 1943 entdeckte die Wehrmacht bereits auch die abgelegene, ruhige Oberlausitz als sicheren Rückzugs- und Vorbereitungsraum für Einsätze an der schnell näher rückenden Ostfront. So stellte es sich mir jedenfalls dar, als eines Tages, zur Kaffeezeit, Militärfahrzeuge in den Hof brausten, denen der Oberst eines Fernmeldebataillons mit seinem Stab entstieg. Der Adjutant meldete den Herrn Oberst im Gutshaus an und überreichte Bohnenkaffee und Zucker. Die Herren wurden von meinen Großeltern zum Kaffee gebeten und nahmen in der Bibliothek in den wuchtigen Ledersesseln platz, die um den runden Tisch mit der Marmorplatte gruppiert waren. Die ebenfalls mitgebrachten Zigaretten wurden von Mimi in die silberne Dose gefüllt, deren Deckel der witternde Jagdsetter zierte (sie ist heute wieder in meinem Besitz!). Nachdem der mitgebrachte, kostbare Bohnenkaffe in der Küche sorgsam gemahlen, gebrüht und mit frischer Sahne serviert worden war, überreichte der Herr Oberst meinem Großvater mit zackigem Hackenschlag auch noch eine Flasche besten französischen Cognacs. Unter diesen so selten gewordenen gesellschaftlichen Begegnungen und anregenden Umständen kam die Unterhaltung richtig in Schwung. Von Kaffee und Cognac angefeuert fuchtelten die Herren zunehmend erregt mit den Armen in den blauen Tabakschwaden herum, bis plötzlich die Unterhaltung abrupt erstarb. Was war den bloß geschehen? Der Oberst hatte berichtet, wie er in einer Gefechtslage vor die Wahl gestellt war, sich zwischen einer Nachschubladung Treibstoff oder Zucker zu entscheiden. Als Gentleman fragte er Mimi zunächst, wofür sie sich denn an seiner Stelle in dieser Lage entschieden hätte: für Zucker natürlich, kam es wie aus der Pistole geschossen, zumal sie den gerade in der herrschenden Notzeit für besonders kostbar und unentbehrlich hielt. Mit jovialer Nachsicht gegenüber einer ahnungslosen Zivilistin vom Lande entgegnete der Oberst: aber liebe gnädige Frau, wie können Sie nur, es kam doch wirklich nur der Treibstoff für die vielen Fahrzeuge in Betracht! Als dann beide hartnäckig auf ihren konträren Auffassungen bestanden und die unversöhnlich  im Raum hingen, erhob sich der keinerlei Widerspruch gewohnte und duldende Oberst indigniert, verneigte sich hackenschlagend, bedankte und verabschiedete sich und befahl seiner Begleitung den Rückzug in die Quartiere. Er wurde danach nicht wieder im Hause gesehen.

 

Seine Männer begannen allerdings noch am Tag darauf  mit der Verlegung von Telefonkabeln vom Funkwagen im Hof bis in eins der leeren Dachgeschosszimmer, wo die Funkzentrale des Bataillons eingerichtet wurde. In den folgenden Wochen wurde auf dem Hofgelände Nachschubmaterial und sogar Munition gelagert; an die mit Tannenzweigen getarnten und mit Granaten gefüllten Kisten kann ich mich besonders gut erinnern. Sie waren nämlich in langer Reihe direkt am Zaun zum Hof abgestellt. Später folgten erste russische Beutefahrzeuge amerikanischer Bauart zur Instandsetzung. Einen Soldaten habe ich dabei beobachtet, wie er einen Funkwagen „aufgeräumt“ hat, wie er meinte. Eine Seitenwand des Wageninneren zierte ein großes Ölgemälde mit einem Engel in üppig verziertem Goldrahmen. Aus der hinteren Wagentür flogen blutverschmierte Holzlatten der Innenverkleidung, die von unserem Stellmacher Stübner erneuert werden mussten. Um den Wagen herum stapelten sich bald darauf Kisten mit Ersatzteilen, wie zum Beispiel Radioröhren und Kondensatoren.

 

 

... aus "Wende nach Beruf"

Kapitel 3

 

Vom "Trainee" zum Marketingmanager

 

 

 

 

 

M

einen Anstellungsvertrag, mit der Firma "Glücksklee Milchgesellschaft M.B.H", unterschrieb ich Anfang Juni noch rechtzeitig vor meinem Kündigungstermin bei Buckau-Wolf. Vorgesehen war zunächst ein Trainee Programm von ein bis anderthalb Jahren :

 

Ich war glücklich, denn ich konnte mein Domizil in Grevenbroich beibehalten und das Verkaufsbüro in Köln mit dem Zug in 45 Minuten erreichen. Dort hat mein Chef, von Wachtendonk, an meinem ersten Tag die drei Außendienstmitarbeiter versammelt, um mich einzuführen und das Programm für die nächsten sechs Wochen mit seinen Männern zu besprechen. Während der ersten Woche wurde ich einem Verkäufer Meermagen zugeteilt. Er hatte die längste Erfahrung im Verkauf und konnte mir viel beibringen. Ihn begleitete ich in den nächsten Wochen auf seinen täglichen Touren und Kundenbesuchen.

 

Meermagen holte mich am folgenden Morgen vom Bahnhof ab, um mit mir im Lagerhaus der Vertragsspedition die Ware für das, so genannte, Streckengeschäft zu laden. Gegen einen bedarfsgerechten Ausliefer-schein erhielten wir Kartons mit Kondensmilch, Babynahrung in Dosen, Kaugummi, Werbematerial und Verkaufshilfen. Zu jener Zeit war in der Kategorie PKW-Kombi, der Ford „Turnier-Caravan“ das Auto mit der größtmöglichen Kapazität was Transportgewicht und den verfügbaren Laderaum anbetraf. Mit diesem, bis unters Dach beladenen Fahrzeug, fuhren wir vom Speditionshof am Rheinhafen.

 

Die Karteikarten von etwa zehn Kunden bildeten eine Tagestour und wurden kostensparend nach Zeit und Fahrtroute sortiert. Unser Kundenstamm bestand zu dieser Zeit noch überwiegend aus Kolonialwaren- oder Tante Emmaläden, Bäckereien und dem traditio-nellen Kiosk. Kettenbindungen an Handelsgruppen waren in den 60zigern noch nicht üblich. Die Einzelhändler bezogen ihren Warenbedarf, je nach Preis und Qualität, bei verschiedenen Großhandlungen. Um sicher zu sein, dass unser Artikelsortiment in ausreichender Menge im Laden und Lager verfügbar war bot sich an, gleich aus dem Wagen viel davon auszuliefern. Sofern der Großhändler den Artikel noch nicht gelistet hatte, konnte der Warenwert sofort kassiert werden.

 

Im Verkaufsbüro in Köln, fand wöchentlich eine Mitarbeiterbesprechung statt. Täglich wurden unsere Barverkäufe abgerechnet. Die Liefer-scheinkopien wurden als Beleg unserer Verkaufserfolge an die zustän-digen Großhändler geschickt. Diese nahmen dann die ent-sprechende Berechnung für den Einzelhandel vor. Später, mit zunehmender Groß-handelstreue und Handelskettenbindung, entwickelte sich leider das Streckengeschäft mit dem Einzelhandel langsam rückläufig und damit auch die Verfügbarkeit unserer Artikel, sofern wir keine Listung beim be-treffenden Großhändler erreichen konnten. Damit sollte verhindert werden, dass die Hersteller, am Großhändler vorbei, die Sortiments-gestaltung in den Läden manipulierten.

 

Bei Wind und Wetter, ohne Ausnahme, musste die beim Besuch georderte Ware in die Läden geschleppt werden. Zu dieser Zeit hatten wir immerhin keine Parkplatzprobleme, so dass Wege kurz waren. Kaum im Laden, war beliebte Strategie, die Lieferung möglichst gut in den Regalen zu platzieren und bei den größten und besten Flächen anderen Mitbewerbern zuvor zu kommen. Das war ein durchaus übliches Verfahren, sofern unsere Kunden bereit waren mitzumachen. Der ewige Kampf um jeden Zentimeter Regalfläche war lästig, aber für uns kein Problem. Der kleine Drahtständer, mit den drei Kaugummisorten, musste tunlichst auf der Bedienungstheke oder an der Kasse aufgestellt werden. Die Schiene am Regal benötigte häufig neue Werbe- und Preisschilder. Damit erfolgte gleichzeitig die Markierung und Sicherung des von uns belegten Regal-platzes, vor allem für den Fall, das Ware zum Nachfüllen fehlte. War der Kunde nicht anzutreffen, musste der Besuch möglichst auf dem Rückweg oder spätestens bei nächster Gelegenheit wiederholt werden. Dafür bot sich in der Regel der Vormittag am Samstag an. Die Besuchshäufigkeit der Kunden richtete sich nach ihrer Bedeutung und ihrem Umsatz. Reisende Verkäufer kamen, bei zehn Tagesbesuchen, auf einen Kunden-bestand von etwa fünfzig Einzelhändlern.

 

 

In der zweiten Woche wurde gewechselt und ich begleitete den "Reisenden" Lenz. Bei ihm erlebte ich eine völlig andere Verkaufstechnik. Seine verbindliche Argumentation war nüchterner und betont sachlich, aber keineswegs weniger erfolgreich. Die Kunden kannten es nicht anders. In der Folgewoche begleitete ich den Bezirksleiter Krückel. Er bearbeitete Großkunden wie Kaufhäuser, Filialbetriebe und Großhändler. Weitere vier Wochen arbeitete ich zusammen mit Außendienstmitar-beitern in Duisburg und Dortmund. Dort erlebte ich zum ersten Mal, was massive Luftverschmutzung bedeutet. Morgens das Fenster in meinem Pensionszimmer nicht verschlossen zu haben, bedeutete abends leichte Rußspuren auf meiner blütenweißen Bettwäsche. Das während des Krieges völlig zerbombte Ruhrgebiet, machte mit Staub, Kohlehalden und qualmenden Werksschloten seinem schlechten Ruf alle Ehre.

 

Als der weniger begabte dritte "Reisende" überraschend krankheitshalber langfristig ausfiel, bekam ich dessen VW-Käfer und die Gelegenheit, meine erworbenen Fähigkeiten im Verkauf zu beweisen. Spätestens nach der ersten Woche kam die Erkenntnis, dass ich die schwächste Landkundschaft erwischt hatte. Diese Kunden waren leicht zu finden, aber ein Besuch lohnte nur alle drei Wochen. Dafür war der VW als Lieferwagen völlig ausreichend. Bei der geringen Frequenz benötigte man mehr Zeit, um den Kundenkontakt aufzubauen. Mit gespielter Vertrau-lichkeit war nichts zu gewinnen. Das hat den Prozess erleichtert und erlaubte, rascher zum Punkt zu kommen. Mit der dadurch verkürzten Besuchszeit, konnte die Anzahl der täglichen Besuche erhöht werden. Bereits nach zwei Einsatzmonaten, in meinem Bezirk, erfuhr ich durch die im Büro abgelieferten Überweisungsaufträge, der Bestellmengen und den schon kassierten Geldbeträgen, durch beide "Vorturner" Respekt und Lob.

... aus "Frachtschiff-Reiselogbuch"

 

Freitag, 27.02.15

 

Morgens auf der Brücke finde ich bestätigt, dass wir noch vor Mitternacht Port Said erreichen werden. Wenngleich noch völlig offen ist, wann wir dort in den Kanal einfahren können. Da für 10:30 eine allgemeine Notfallübung angesetzt ist, bleibe ich bis dahin auf meinem Posten. Als das Alarmsignal ertönt eilen wir alle ins Upper Deck, zum Sammelpunkt im Betriebsbüro. Auf dem Weg zum Bootsdeck passieren wir den Lagerraum, aus dem jeder seine Schwimmweste übernimmt. Dann versammeln sich alle unter dem Rettungsboot an Steuerbord. Dort wird von CO zunächst abgefragt, wer für die einzelnen Stationspflichten eingeteilt ist, so wie es der aushängende Einsatzplan vorgibt. Auf Befehl des CO steigen wir die Treppe zum Bootsdeck hoch. Dort folgt die Erläuterung für die Handhabung der Rettungsinseln, bevor am Rettungsboot die Maschine und Funktion der Positionslichter überprüft werden. Es hat Platz für 40 Personen. Dann begeben wir uns im Eilschritt zum Arbeitsbereich am Heck. Unterdessen schließt die Löschmannschaft die Wasserschläuche an die Hydranten an und gibt Wasser Marsch nach Außenbords.

 

 

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